Der Wetterbericht ist für heute leider nicht so gut und beim Blick aus dem Fenster sieht man auch schon die ersten schwarzen Wolken. Es herrscht eine hektische Stimmung auf der Hütte und man merkt, wie sich die einzelnen Gruppen untereinander beraten. Kurzes Frühstück, den Rucksack noch fertig packen und schon sind wir startbereit. Wir wollen es zumindest versuchen und beschließen, trotz des unsicheren Wetters aufzubrechen.

Wir steigen über den zerklüfteten Lysgletscher Richtung Margheritahütte auf, zur höchsten Schutzhütte der Alpen auf über 4500 m. Unterwegs bessert sich das Wetter, die Sonne kommt zum Vorschein und über einem Wolkenmeer und bei einer grandiosen Stimmung gelangen wir zur Hütte. Bei diesem unsicheren Wetter sind wir die einzigen Gäste. Am Abend erleben wir zur Belohnung einen schönen Sonnenuntergang. Während der Nacht verschlechtert sich das Wetter wieder und es beginnt zu schneien. Am nächsten Tag trübes Wetter und es schneit weiter.

Wir beschließen wieder abzusteigen bevor es uns auf der Hütte richtig einschneit, dann mit der Gefahr, dort festzusitzen. Beim Start binden wir uns zu einer großen Seilschaft zusammen, um so einen möglichen Spaltensturz besser halten zu können. Die Sicht ist gleich Null und der Neuschnee hat die Aufstiegsspur zugedeckt. Das GPS Gerät hilft uns, den richtigen Weg durch die Spaltenzone zu finden. Auch die Gletscherspalten sind vom Neuschnee bedeckt und wir machen uns immer wieder gegenseitig aufmerksam, das Seil ja gespannt zu halten.

Ich umklammere mein GPS Gerät in der Hand fest, da ich befürchte, bei einem möglichen Spaltensturz das Gerät zu verlieren und so ohne Orientierungshilfe dazustehen. Den richtigen Weg durch die großen Spaltenbrüche zu finden, ist nicht immer leicht, und die tiefen Löcher sind respekteinflößend. Gedanken kreisen in meinem Kopf: Finde ich den richtigen Durchgang? Was ist, wenn uns eine Spalte den Weiterweg versperrt? Wir nähern uns einer großen Spalte und versuchen, sie zu umgehen. Eine dünne Spaltenbrücke scheint der einzige Weiterweg zu sein.

Am gespannten Seil taste ich mich Schritt für Schritt rüber. In Gedanken versuche ich, mich ganz leicht zu machen, in Erwartung, dass jeden Augenblick die dünne Schneebrücke unter mir nachgibt und ich in den Abgrund stürze. Der Übergang hält und vorsichtig folgen die anderen meiner Spur. Das Gelände wird nun langsam sanfter, und als wir endlich die Umrisse der schützenden Hütte sehen, sind wir alle erleichtert…

von Martin Abler
GLOBO ALPIN Stammbergführer seit 2007