Mein Blick ging nach oben. Kleine bewegliche Punkte in der Wand. Das sah gar nicht langweilig aus. Damals sagte ich mir, das will ich auch mal machen.

Eigentlich war ich danach fast nur mit Ski in den Bergen unterwegs. Mit Klettern haben wir erst spät angefangen. In Berlin ist echter Fels rar gesät. Also trotz ein wenig Sportklettererfahrung noch mal ganz von vorne anfangen. Zwei Kletterkurse bei Globo gemacht und viel gelernt. Auch, dass es ziemlich verrückt wäre, wenn wir Flachland-Tiroler ohne regelmäßiges Alpinklettertraining ohne Bergführer in die großen klassischen Dolomiten-Routen einsteigen würden.

Deshalb entschlossen wir uns, Kletterführungswochen bei Globo zu buchen.

Und in einer dieser Wochen war es dann soweit, mein kleines Kindheitsversprechen an mich selbst sollte eingelöst werden. Juli, wir waren in der Woche schon fleißig: Kleine Zinne, Torre Wundt, Falzaregotürme und jetzt die Dibona. 18 Seillängen, Schwierigkeit IV+. Die Sportkletter-Hardmover aus der Halle in Berlin würden sagen: „IV+?- Det is doch `ne Treppe!“

Wir stehen am Einstieg. Morgens um 7 ist es noch kalt, wir haben uns über Schneefelder zum Einstieg gezittert. Ich gucke nach oben und denke, das sind echt viele Höhenmeter, wenn das mal gut geht. Und so klettere ich auch. Kalt, verkrampft, der Kopf befasst sich nicht mit dem nächsten Tritt, sondern mit Selbstzweifeln. Am Stand nach der zweiten Seillänge sieht mir Hubert tief in die Augen und sagt dann recht trocken: „Hör auf zu turnen, fang an zu klettern!“ Lächelt mich an und fügt hinzu: „Weißt doch, wie‘s geht“.
Das war nötig. Ab jetzt konzentrierte ich mich aufs Klettern, Kopf und Beine arbeiten wieder mit.

Aber Länge und Ausgesetztheit bleiben eine Herausforderung. Die größere Herausforderung, insbesondere für Hubert, sollte noch kommen: Ein schneller und sicherer Abstieg mit uns zwei über den Normalweg. Es droht Gewitter. Und am Abstieg tummeln sich jetzt auch all die technisch guten Kletterer aus der Comici und der Dülfer, aber ohne Bergführer offensichtlich keine Ahnung haben, wo es runter geht. Hubert zeigt es ihnen.
„IV+! Nee, -da jibt’s keene Treppe, nich ruff, nich runta!“

von Udo Wolf
GLOBO ALPIN Stammkunde